77 Stundenrennen

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der KK
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77 Stundenrennen

Beitrag von der KK »

Hallo Leute!
Ich war auch dabei. Der Weltrekord ist erreicht worden, keine Frage. In der allgemeinen Euphorie sieht man natürlich auch gern über Widrigkeiten und Mängel hinweg, auch klar. Wer von den Unzulänglichkeiten nicht betroffen war oder gar davon profitiert hat, wird ohnehin nichts negatives sagen. Der Friese wird von vielen dafür gelobt, daß er dieses Event überhaupt ins Leben gerufen hat. Da stimme ich noch zu. Im Vorfeld des 77ers hatte man den Eindruck, daß alles professionell organisiert und sich um die Belange der Fahrer gekümmert wird. Angekündigt war vieles, z.T. nicht mehr nachvollziehbar, da im offiziellen Forum viele diesbezügliche Threads "wegen Irrelevanz" gelöscht wurden. Aber was dann tatsächlich abgelaufen ist... siehe Bericht:

77h Weltrekordversuch in Jüterbog
Vom 11. bis 14.06.2009 fand auf der Outdoor-Kartbahn Altes Lager in der Nähe von Jüterbog ein 77-stündiges Kartrennen statt, mit dem Ziel, einen offiziellen Guiness-Weltrekord zu erlangen. Der folgende Bericht spiegelt das Rennen aus meiner persönlichen Sicht wider, die sich weitestgehend mit der meiner Teamkollegen deckt. Ich habe diesen Bericht größtenteils aus dem Gedächtnis abgerufen und bitte um Nachsicht, falls der eine oder andere Fehler im Detail stecken sollte. Diskussionen und Meinungen, auch gegenteilige, sind ausdrücklich erwünscht.

Als letztes Jahr im September das Telefon klingelte und mich ein alter Team-Gefährte fragte, ob ich Lust hätte, bei einem 77-Stunden-Rennen mitzufahren, sagte ich ohne Zögern zu. Bei 24h-Rennen waren wir früher oft dabei, leider gingen die Wege des Teams aufgrund der Schließung unserer Hausbahn mit der Zeit auseinander, wenngleich wir immer in Kontakt blieben. Einen offiziellen Guiness-Weltrekord aufzustellen und über 77 Stunden gemeinsam Spaß zu haben, wollten wir uns natürlich keinesfalls entgehen lassen. Mit neun alten Haudegen, zwei inzwischen zu mehrfachen Kart-Meistern herangewachsenen Nachwuchspiloten und einem Neuzugang schrieben wir uns ein. Die Vorfreude war groß und steigerte sich mit jeder unserer monatlichen Team-Besprechungen. Gespannt wurden die News verfolgt und im offiziellen Forum über Ausrüstung, technische Fragen, Regeländerungen und den Ablauf diskutiert. In den Forenbeiträgen sprühte förmlich die Begeisterung. Auch in der Presse wurde berichtet, Autobild Motorsport wollte ursprünglich sogar ein Team stellen und Prominente aus dem Motorsport sollten mitfahren. Erfreulicherweise bestand die Gelegenheit, schon vor dem Rennen am Originalschauplatz zu günstigen Preisen mit den extra angeschafften, nagelneuen Event-Karts zu trainieren. So organisierten wir Trainingsfahrten in Jüterbog, die vor allem den Fahrern mit wenig oder gar keiner Outdoor-Erfahrung zugute kamen. Während der Testfahrten erwies sich die Pedalerie der ansonsten tadlellosen Sodi RX7 als wenig praxistauglich für längeres Fahren. Der zu steile Anstellwinkel bedingt eine verkrampfte Fußhaltung und besonders für große Fahrer ist der Abstand Pedal-Sitz zu gering. Das hatten vor uns auch schon andere Teams bemängelt. Ich spürte bereits nach 30 Minuten Schmerzen in Knie und Wade, ein Turn über fast zwei Stunden würde folglich recht unangenehm werden. Veranstalter Eckhard Krummrei, genannt "der Friese", versprach im Forum, sich der Sache anzunehmen und nach Lösungen zu suchen. Ein Umbau der Pedale stellte sich jedoch als zu aufwendig heraus. So mußten wir selber Abhilfe suchen. Wir fanden heraus, daß sich das Bremspedal durch simples Hineindrehen einer Schubstange ein paar Zentimeter nach vorn kippen ließ, immerhin etwas besser. So sollte es dann auch bei allen Karts eingestellt werden (wurde aber nicht gemacht). Meine persönliche Lösung war dann so simpel wie wirkungsvoll. Ein passend geschnittenes Stück EPP-Schaum wurde unter das Bremspedal geschoben und schuf eine Stütze für die Ferse. Somit wurden Knie und Muskeln entlastet, entspanntes Fahren war jetzt möglich.
Alles in allem schien das 77er ein Megaspektakel zu werden, die Tage bis zum Beginn wurden gezählt. Am Mittwoch, den 10.06., war es dann endlich so weit. Ich belud meinen Kombi, holte noch einen Teamkollegen ab und fuhr nach Jüterbog-Altes-Lager. Ein Teil der Mannschaft war schon am Vortag angereist und hatte die Zelte aufgeschlagen. Unsere liebevollen "Muttis" versorgten uns sofort mit Nahrung (hier nochmal ein großes Dankeschön ;-). Auf ein Training mit den Leihkarts der Bahn verzichtete ich, da meine Teamkollegen vorher zwei Stunden warten mußten, bis sie dran kamen. Es wäre ohnehin nicht möglich gewesen, da der Sprit ausgegangen war.
Stattdessen gingen wir vor dem großen Andrang zur Fahrerregistrierung (weise Entscheidung). Statt der geplanten Fahrerausweise mit Bild gab es nur einheitliche Bändchen ans Handgelenk.
Nach der Auslosung hatten wir Zeit, das Kart vorzubereiten und individuell zu bekleben. Danach nutzten wir das freie Training, um die Reifen anzufahren und den richtigen Luftdruck zu ermitteln. Die Rundenzeiten zu verfolgen, gestaltete sich etwas schwierig, da sie nur auf dem Monitor im Ticketverkauf angezeigt wurden und zwar mit den alten Startnummern der Karts, nicht mit den Teamnamen bzw. deren Rennstartnummern. Man kann sich das Gedränge in dem winzigen Raum bei 44 Teams gut vorstellen. Weder funktionierte das Zeitmonitoring über WLAN, noch waren irgendwo andere Monitore aufgestellt. Im Anschluß durfte eine weitere Stunde geschraubt und geklebt werden. Viel zu schrauben gab es eigentlich nicht, da laut Reglement nur die Achsbreite hinten verändert und das Lenkrad ausgetauscht werden durfte. Dennoch wurden einige Teams beobachtet, die intensiver am Kart schraubten und bspw. die Spur eigenmächtig einstellten. Die Rennleitung konnte dies nicht bemerken, weil keiner die Arbeiten der Teams am Kart überwachte. Schon merkwürdig, zumal der Friese angekündigt hatte, Manipulationsversuche rigoros mit Disqualifikation zu bestrafen (es gab Hinweise, daß Teams nicht genehmigte eigene Teile verwenden wollten).
Ärgerlich fiel noch am gleichen Tag auf, daß im Herren-Bereich nur vier Duschen, zwei Waschbecken und vier Toiletten (eigentlich nur drei, denn eine die gesamte Zeit verschlossen) vorhanden waren. Etwas wenig für 550 Fahrer plus einige hundert Helfer. Im Vorfeld wurde ausdrücklich zugesichert, für ausreichend sanitäre Anlagen zu sorgen. Entsprechend groß fiel dann auch das Gedränge in den Spitzenzeiten aus. Wenigstens konnte man noch auf die zwei Klos im Bistro ausweichen (wurden später zeitweise verschlossen). Ein besonders dickes Lob gebührt den Reinigungskräften, welche unermüdlich Tag und Nacht für hygienische Bedingungen sorgten. Ohne sie wäre sprichwörtlich die Ka..cke am Dampfen gewesen.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker Punkt 7.00 Uhr. Wir frühstückten gemütlich und begaben uns gegen 8.00 Uhr zum Hangar. Dort herrschte kaum Betrieb und es war noch so gut wie nichts aufgebaut. Laut Zeitplan sollte um 9.00 Uhr die Begrüßung und Teamvorstellung beginnen. Wir fragten uns, wie das alles bis dahin fertig sein soll. Wir nutzten die Zeit bis zum geplanten Beginn, um die Strecke abzulaufen. Die erwartete Verzögerung trat dann auch ein, erst gegen 9.45 Uhr rief der Friese mit der Trillerpfeife zur Teamvorstellung zusammen. Aufgrund einsetzenden Regens mußte diese nach wenigen Minuten abgebrochen werden, die Masse flüchtete in den Hangar. Ohne weitere Kommentare wurde gleich der Parc Fermé geöffnet und es durften noch Fahrtests absolviert werden. Das anschließende Qualifying mußte von den jeweils schwersten oder ältesten Fahrern der Teams absolviert werden. Eine pfiffige Idee, kontrolliert wurde das jedoch nicht. Die Rundenzeiten konnten weiterhin nur im Ticketverkauf verfolgt werden, zumindest waren aber jetzt die Teamnamen eingetragen. Unser Dickster (>90kg) pushte sich immerhin auf Platz 14, angesichts der leichtgewichtigen Mitbewerber eine respektable Leistung.
Die für 13.00 Uhr vorgesehene Startzeit verstrich, da die neue Zeitmeßanlage und das Monitoring nicht funktionierten. Der damit beauftragte Mann am Zeitmeßtisch wirkte etwas hilflos. Ich fragte ihn, ob ich helfen könne. Es stellte sich heraus, daß der WLAN-Router die Verbindung zum Meßcomputer verlor, sobald sich mehrere Notebooks einloggten. Ich hatte ein solches Gerät im Gepäck und wollte es eigentlich als Repeater verwenden, falls der Empfang am Pavillion neben der Strecke zu schwach sein sollte. Kurzerhand holte ich das Teil und wir integrierten es in die Anlage. Das dauerte nochmal ein gutes Stück, da ich mich zunächst mit den Netzwerkeinstellungen und dem Konzept der Zeitmessung vertraut machen mußte. Das WLAN funktionierte jetzt, aber das Mylap-Monitoringprogramm gab keine Zeiten aus. Glücklicherweise hatten einige Teams schon Erfahrung damit und gaben den entscheidenden Hinweis. Es fehlten nämlich ein paar wichtige Dateien, die sich nicht auf der Netzwerkfreigabe befanden. Nachdem wir sie besorgt hatten, klappte das dann auch endlich. Nun tauchte das nächste Problem auf, es war kein Printer für die Sicherheitsausdrucke vorhanden. Also stellte ich auch unseren Drucker zur Verfügung. Dessen Einrichtung nahm wegen diverser technischer Probleme weitere Zeit in Anspruch. Wir waren kaum damit fertig, als 14.32 Uhr draußen das Rennen gestartet wurde. Der Kollege konnte geradeso die Zeitmessung anlaufen lassen, obwohl die noch nicht ganz fertig eingerichtet war. Folglich stimmten einige Transponder-Zuordnungen oder Teamnamen anfangs nicht. Ich teilte dies dem Friesen mit und es wurde wohl auch korrigiert. Leider konnten nur 10 Teams gleichzeitig den Rennverlauf auf ihren Notebooks verfolgen, da nur so viele Zugriffslizenzen vorhanden waren. Die sich zuerst eingeloggt hatten, waren die Glücklichen. Zur Abhilfe wurde ein zusätzlicher Monitor am Zeitmeßtisch aufgebaut.
Unser Pilot konnte rasch seine Position verbessern und fuhr bis auf Platz 5 vor. Nach etwa drei Stunden passierte ein folgenschwerer Unfall. Der Fahrer des Baron-Teams geriet in der Kurve am Ende der langen Geraden aus noch nicht genau geklärten Umständen von der Strecke und überschlug sich. Wie sich später herausstellte, hatte er sich zunächst nur ein paar Rippen gebrochen. Erst während der Fahrt mit dem RTW ins Krankenhaus bohrte sich eine der Rippen in die Lunge, wodurch ein Flügel kollabierte. Nach meinen letzten Informationen vom Sonntag (14.06.) abend war sein Zustand ernst, da nicht transportfähig und kein Chirurg vor Ort, der die komplizierte Operation durchführen konnte. Drücken wir ihm alle Daumen, daß er wieder gesund und munter wird.
Nach dem Abtransport des Verletzten verließ der Safety-Smart die Strecke und das Rennen ging weiter. In der ersten Phase, besonders nachts, herrschte teilweise eine sehr aggressive Fahrweise. Einige übermotivierte Fahrer drängelten und kickten rücksichtslos oder stachen an Stellen rein, wo das sehr gefährlich ist, z.B. am Ende der Zielgeraden. Dort hat man kaum Optionen zum Ausweichen oder Bremsen, da man auf der letzten Rille fährt und nur wenig Auslaufzone vorhanden ist. Auch im Hangar wurde viel zu schnell gefahren, daher wurde ein Vorläufer eingeführt (das sollte am Wochenende noch für sehr viel Belustigung sorgen, mehr dazu weiter hinten). Die Rennleitung rief mehrmals die Teamchefs zusammen und mahnte zu Besonnenheit. Doch anstatt die Rüpel herauszuholen und mit Zeitstrafen zu belegen, wurde immer wieder angedroht, die Zeitmessung abzuschalten.
Bereits am Donnerstag abend häuften sich technische Probleme. Immer wieder blieben Karts mit Motorausfall stehen oder verloren drastisch an Leistung. Ursache waren verstopfte Kraftstoffilter infolge stark verunreinigten Benzins aus den Tankanlagen. Ich erfuhr davon während eines Gesprächs mit einem anderen Team, von offizieller Seite wurde nichts bekanntgegeben. Eines unserer Helfer-Mädels stellte freundlicherweise Nylon-Strümpfe als Filter zur Verfügung, sodaß uns das Problem zunächst nicht betraf. Wir konnten uns sogar auf Platz 3 verbessern. Bis.. ja bis wir am Freitag morgen ebenfalls ausfielen, weil wir in Hektik einmal ohne Strumpf getankt hatten. Das einzige Ersatzkart war ebenfalls defekt und bis unseres wieder bereit stand, verging eine geschlagene Stunde. Rechnerische 48 Runden Rückstand verdankten wir der Panne, die uns ins hintere Drittel des Feldes zurückwarf. Wir gaben aber nicht auf und konnten Stück für Stück Boden gewinnen. Die Regenschauer erwiesen sich als unsere Freunde. Dank glücklicher Reifenwechseltaktik und den richtigen Fahrern im Kart holten wir auf der nassen Strecke rasch auf und lagen schließlich wieder in der vorderen Hälfte. Beim ersten Pflichtstop wiesen wir den Mechaniker ausdrücklich auf die stark nachlassende Bremse hin. Der meinte allerdings, das würde sich von allein beheben und machte keine Anstalten, das Problem zu identifizieren. Natürlich wurde es schlimmer. So schlimm, daß ich auf meinem Stint in der Nacht vom Fr zum Sa die Bremse bis zum Spoiler durchtreten mußte, um Wirkung zu erzielen. Wegen der schlechten Bremswirkung wäre ich fast in die Reifenstapel vorn am Besucherbereich eingeschlagen. Genau das passierte meinem Nachfolger gleich in seiner ersten Runde. Wir stiegen in das zum Glück bereitstehende Ersatzkart um. Der Mechaniker fragte, ob er unser Kart gleich reparieren soll "oder erst morgen früh?". Komische Frage, wenn es nur ein einziges Ersatzkart gibt. Eine Stunde später brachte er unsere 66 wieder zurück. Unrepariert, mit weiterhin miserabler Bremse. Langsam machte sich Unmut breit. Wie nicht anders zu erwarten, fiel die Bremse gegen Samstag morgen komplett aus. Wieder verloren wir sehr viel Zeit durch den Wechsel auf E-Kart und zurück. Zumindest funktionierte die Bremse endlich wieder. Unser Rückstand zur Spitze war durch die mehrfachen unverschuldeten Ausfälle mittlerweile auf über 100 Runden angewachsen. Dennoch ließen wir uns den Spaß nicht nehmen und fuhren weiterhin mit voller Kraft. Draußen ging es bis auf wenige Ausnahmen mittlerweile recht fair zu. Schnellere Fahrer wurden vorbeigewunken und diese verzichteten auf rüde Rempeleien. Auch im Hangar herrschte eine entspannte Atmosphäre. In der 41. Stunde des Rennens bemerkten wir dann zufällig einen gravierenden Fehler der Zeitmessung. Da nicht die Zeitschleife am Turm benutzt wurde, sondern ein vorn am Bogen aufgestellter Abnehmer, konnten Boxendurchfahrten nicht erfaßt werden. Das heißt, jede Fahrt durch den Hangar bedeutete den Verlust einer kompletten Runde. Uns waren schon vorher merkwürdig "abhanden gekommene" Runden aufgefallen, dies erklärte sich nun schlagartig. Grundsätzlich könnte man annehmen, die Fehlmessung wäre kein Problem, da sie ja alle Teams betrifft. Das gilt aber nur bei einheitlicher Zahl an Boxendurchfahrten. Teams, die häufiger Fahrer oder Reifen wechseln als andere oder wegen Defekten in die Box kommen müssen, werden jedesmal mit einer Runde "Abzug" bestraft. Das kann und darf nicht sein. Der Fehler wäre vermeidbar gewesen, wenn der Veranstalter nicht alles auf die letzte Minute aufgebaut und die Anlage vorher getestet hätte. Wir teilten die Erkenntnis unter vier Augen der Rennleitung mit. Es wurde jedoch nicht für nötig erachtet, diesen für die Strategie sehr wichtigen Fakt in einer Besprechung allen Teams offen mitzuteilen. Stattdessen drohte der Friese zum wiederholten Male mit der Abschaltung der Zeitnahme, falls weiter gemeckert wird.
Von den vorausgegangenen Pleiten und organisatorischen Defiziten schon zur Genüge genervt, war für uns das Maß jetzt endgültig voll. Wir waren nahe daran, das Kart abzustellen und einzupacken. Wir beriefen eine Teambesprechung ein und diskutierten das Für und Wider. Mit Rücksicht auf diejenigen Fahrer, die sich die Kosten für das 77er hart zusammensparen mußten, beschlossen wir einen Kompromiß, und zwar den Transponder abzugeben und den Rest der Veranstaltung außer Konkurrenz zu bestreiten, quasi als Trainingslauf. Gesagt, getan. Unser Teamchef und ein Stellvertreter gaben den Transporter beim Friesen ab. Der fand es gut, hatte ansonsten jedoch nichts weiter dazu zu sagen. Da ich angesichts der Mißstände keinerlei Motivation mehr sah, die Veranstaltung mit meiner Technik zu unterstützen, forderte ich den WLAN-Router und den Drucker zurück. Der Friese bat mich um Karenzzeit zwecks Organisation von Ersatz, die ich ihm bis zum Ende der Pflichtstops gewährte. Es tat mir für die Teams leid, die sich jetzt wieder vorn am Monitor drängen mußten, aber war einfach nur konsequent.
Von nun an konnten wir völlig entspannt und ohne Zeitdruck weiterfahren. Das heißt nicht langsamer auf der Strecke, sondern nur in aller Ruhe beim Wechsel, beim Luftdruck prüfen und bei Reparaturen. Letztere ereilte uns am Sonntag nachmittag zwecks Austausch der Bremsbeläge. Die waren nicht alle, sondern ungleichmäßig abgenutzt, wahrscheinlich infolge unsachgemäßen Einbaus. Leider vergaß der Mechaniker, den Bremsflüssigkeitsbehälter zu öffnen und Flüssigkeit abzuziehen, sodaß die Bremse schleifte. Wir mußten also nochmal rein. Im Rennen wäre das äußerst ärgerlich gewesen, aber so hat es nicht gejuckt. Wir nehmen es den geplagten und überlasteten Mechanikern auch nicht übel. Meine letzten beiden Stints waren dank unwichtiger Rundenzeiten wesentlich unterhaltsamer als die vorhergehenden. Da blieb sogar Luft für Spässle. So habe ich auf der langen Geraden manche Überholende mit der Hand angeschoben, damit sie schneller vorbei kommen. Kurzum, die Zeit bis zum Zieleinlauf am Sonntag abend war für uns ein langes Training unter Rennbedingungen mit hohem Spaßfaktor.
Im Hangar steppte am Sonntag der Bär. Irgendeiner der Vorläufer fing damit an, im Geherstil vor dem Kart herzulaufen. Das motivierte andere ebenfalls zu unkonventionellen Laufarten, begleitet von lautem Johlen der Umstehenden. Von nun an versuchte jedes Team, aus dem Vorlauf eine Show zu machen, immer unter tosendem Gebrüll und Beifall. Es gab Boxenluder im Bikini zu sehen, Besenschwinger wie beim Curling und die unmöglichsten Verkleidungen. Einer unserer Fahrer wurde aus dem Kart gezerrt, der Kombi entledigt und bis zur Box auf der Massageliege (Kartwagen drunter) vor dem Kart hergeschoben und durchgeknetet. Jeder versuchte noch einen drauf zu setzen. Eine solch ausgelassene Stimmung habe ich bisher noch bei keinem anderen Rennen erlebt. Ihren Höhepunkt erreichte sie nach dem Zieleinlauf. Die geplagten Slicks wurden gnadenlos bei Burnouts verheizt und viele Teams fuhren auf das Kart gestapelt Ehrenrunden, sichtbar begleitet vom Rauch der Kupplungen (aua).
Im Parc Ferme wurden anschließend die Karts der fünf ersten untersucht. Es wurden Unregelmäßigkeiten entdeckt, u.a. am Luftfilter. Man kann darüber streiten, ob die Manipulationen zu einem Vorteil geführt haben oder nicht. Fakt ist, daß mehrere Karts außergewöhnlich schnell unterwegs waren. So schnell, daß dies allein mit Toleranzen oder fahrerischem Können nicht zu erklären ist. Wir haben zwei Leichtgewichte im Team, die beide mehrfache Meistertitel in verschiedenen Kartserien errungen haben. Es erscheint nicht plausibel, daß denen über eine Sekunde pro Runde abgenommen wird. Es hat sich außerdem herausgestellt, daß die Kettenblätter der Karts nicht einheitlich ausgeführt waren. Es gab welche mit 43 Zähnen und welche mit 44. Den Teams wurde im Vorfeld zugesichert, daß alle Event-Karts bei den Trainingsläufen gleichmäßig belastet werden und darüber Buch geführt wird. Das ist offensichtlich nicht geschehen. Wir waren zweimal in Jüterbog und konnten nicht beobachten, daß sich jemand Notizen gemacht hätte. Auch am äußerlichen Zustand der Karts war deutlich unterschiedliche Abnutzung zu erkennen. Unseres schien bspw. so gut wie gar nicht gelaufen zu sein, erkennbar an kaum vorhandenen Kratzspuren am Unterboden.

Und noch ein äußerst unschönes Vorkommnis verdient Aufmerksamkeit. In der Nacht vom Samstag zum Sonntag wurde von vielen Zeugen beobachtet, daß die Karts der Rennleitung und der XXL-Location in unverkennbarer Gemeinschaftsarbeit den Teamchef des Baron-Racing-Teams mehrfach absichtlich von der Strecke gekickt haben. Dieser wurde dabei am Fuß verletzt. Was war nochmal die Aufgabe der Rennleitung? Für faires Verhalten auf der Strecke zu sorgen? Egal welche Differenzen auch bestanden, eine solche Handlungsweise ist völlig indiskutabel und in Anbetracht des lebensgefährlich verletzten Fahrers aus dem Baron-Team unterste Schublade. Juristisch gesehen sogar vorsätzliche Körperverletzung. Geht gar nicht...

Zusammenfassung:
Der 77h-Weltrekord-Versuch war eine Veranstaltung voller Gegensätze. Schon aufgrund der nicht alltäglichen Länge ein spektakuläres Ereignis an sich. Auf der einen Seite hat es sehr viel Spaß gemacht und es herrschte allgemein gute Stimmung. Bis auf ganz wenige Ausnahmen zeichneten sich die Teams durch Sportsgeist und Fairneß aus. Die Sodi-Karts bestätigten sich als äußerst robust, zuverlässig und angenehm zu fahren. Die Strecke gab kaum Anlaß zur Kritik. Besonders lobenswert ist die Arbeit der nicht unmittelbar am Renngeschehen beteiligten Hilfskräfte, die im Hintergrund für unser Wohl gesorgt haben, die Reinigungskräfte, die Malteser, die Masseure und die Angestellten im Bistro und den Imbißwagen (bitte nicht böse sein, falls Aufzählung unvollständig).
Auf der anderen Seite trübten viele Unzulänglichkeiten das Renngeschehen. Es wurde immer wieder betont, das 77er wäre vorrangig ein Event zur Erlangung des Weltrekordes. Dann hätte man jedoch von vornherein die Veranstaltung so ausschreiben müssen. Nur, wieviele Teams hätten sich dann eingeschrieben? Kartfahrer sind keine Waldorfschüler, die sich an den Händen fassen und 77 Stunden lang Ringelreihe fahren. Kartfahrer brauchen eine Motivation. Diese Motivation besteht darin, als Erster durchs Ziel zu kommen oder wenigstens vordere Plätze zu belegen. Das läßt sich nicht einfach wegargumentieren. Noch mehr als bei jedem anderen Rennen wäre es hier wichtig gewesen, jedem Teilnehmer gleiche Voraussetzungen zu schaffen, ein klares, nicht interpretierbares Reglement aufzustellen und dieses vor allem auch durchzusetzen. Nichts davon war gegeben. Angesichts der langen Vorbereitungszeit von 10 Monaten erscheint es rätselhaft, weshalb Organisation und Durchführung auf einem derart niedrigen Niveau lagen, wie wir es bisher noch nicht erlebt hatten. Es ist völlig klar, daß bei einem solchen Event Fehler und Pannen unvermeidlich sind. Niemand hätte sich daran gestört, wenn diese Pannen nicht auf grober Nachlässigkeit beruhen würden. Anstatt sich bei den Teams dafür zu entschuldigen, erging sich der Veranstalter, Herr Krummrei, in arroganter Selbstherrlichkeit und drohte den Teilnehmern wiederholt mit Abschaltung der Zeitnahme. Dessen nicht genug, beteiligte er sich als Rennleiter auch noch vorsätzlich an unfairen Aktionen auf der Strecke. Seine im Vorfeld getätigten Versprechungen hat er größtenteils nicht eingehalten (z.B. eng tolerierte Karts, gnadenlose Durchsetzung der Regeln, Rahmenprogramm u.a.). Nur der Enthusiasmus und die Vernunft der Teams haben die Veranstaltung gerettet.

Die Hauptkritikpunkte in der Übersicht:
- durch schlechte Vorbereitung bedingte Verzögerungen im Zeitplan. Aufbauarbeiten erst kurz vor offiziellem Beginn.
- dadurch Ausfall der Teampräsentation, die besonders für Geldgeber wichtig gewesen wäre.
- keine Fahrereinweisung (Flaggensignale, Verhaltensweise bei Defekten, Pacecar usw.).
- keine einheitlichen technischen Voraussetzungen durch ungleichmäßig abgenutzte Karts und unterschiedliche Übersetzungen.
- keinerlei Maßnahmen und/oder Kontrollen, die Manipulationsversuche wirkungsvoll hätten verhindern können, z.B. Markierung der Reifen und Felgen, Verplomben des Motors/Luftfilters, Aufsichtspersonen während der Vorbereitungsarbeiten am Kart usw.
- der Rennleitung bekannte Betrugsversuche wurden entgegen der Ankündigung nicht mit Disqualifikation bestraft. Herrn Krummrei waren bei einem Team überzählige Felgen aufgefallen. Er hat dies während einer Teamchef-Besprechung ausgesagt.
- keine Kontrolle des vorgeschriebenen Luftdrucks
- so gut wie keine Durchsetzung des Reglements. Verstöße wurden seltenst mit Zeitstrafen belegt. Unsportliche Fahrweise wurde von der Rennleitung beobachtet und notiert, aber nicht geahndet. Die Präsenz der Rennleitung war nicht zu spüren, es wurde sich blind darauf verlassen, daß alle Teilnehmer die Regeln einhalten.
- nur ein einziges Ersatzkart für 44 Teams
- zu wenige und daher überforderte Mechaniker
- grob fehlerhaftes Zeitnahmesystem. Boxendurchfahrten wurden nicht erfaßt, dadurch Nachteile für Teams mit häufigeren Wechseln oder Defekten.
- Zeitnahme war zu Rennbeginn noch gar nicht fertig eingerichtet und wurde von wenig kompetentem Personal bedient.
- das Monitoring der Zeitnahme über WLAN war nur möglich, weil unser Team seine eigene Technik freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung gestellt und eingerichtet hat. Außerdem zu wenig Zugriffslizenzen (nur 10 für 40 Teams).
- Dreck im Kraftstoff verursachte unnötige Ausfälle.
- sehr mangelhafte Information der Teilnehmer über Ablauf, Änderungen oder wichtige Details zum Renngeschehen.

weitere Kritikpunkte:
- Streckenbeleuchtung im hinteren Teil ungenügend
- zu wenig sanitäre Anlagen
- keine Abstimmung/Zuteilung der Kanäle für den Boxenfunk
- das angekündigte Rahmenprogramm fand nicht statt (Discothek, Livestrip-Show, Hubschrauberfliegen etc.)
- keine Präsenz von Medien
- kaum Zuschauer
- stark überteuerte Reifen (mußten beim Veranstalter gekauft werden)
- Medaillen waren nicht fertig (ist uns zwar egal, aber andere hätten sie gern mitgenommen)
- geplante Buzzer an Boxeneinfahrt nicht vorhanden (siehe Bulletin Nr.1)

- das Mistwetter (aber das kann man niemandem anlasten ;-)



Eigentlich war die Durchführung der Veranstaltung eines Weltrekords unwürdig. Verdient haben ihn jedoch all die Sportsmänner auf und neben der Strecke, die jederzeit fair agierten und für ausgelassene Stimmung sorgten und alle, die sich ehrlich Mühe gegeben haben. Vielen herzlichen Dank an euch für den Spaß, den wir trotz aller Widrigkeiten definitiv hatten!

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Beitrag von Maranello Mecki »

@ derKK
also das ist wohl die unverschämteste behaubtung die ich bis jetzt über das 77stunden rennen gelesen habe:
zitat von der KK
Und noch ein äußerst unschönes Vorkommnis verdient Aufmerksamkeit. In der Nacht vom Samstag zum Sonntag wurde von vielen Zeugen beobachtet, daß die Karts der Rennleitung und der XXL-Location in unverkennbarer Gemeinschaftsarbeit den Teamchef des Baron-Racing-Teams mehrfach absichtlich von der Strecke gekickt haben. Dieser wurde dabei am Fuß verletzt. Was war nochmal die Aufgabe der Rennleitung? Für faires Verhalten auf der Strecke zu sorgen? Egal welche Differenzen auch bestanden, eine solche Handlungsweise ist völlig indiskutabel und in Anbetracht des lebensgefährlich verletzten Fahrers aus dem Baron-Team unterste Schublade. Juristisch gesehen sogar vorsätzliche Körperverletzung. Geht gar nicht...
wer den friese kennt und auch team xxl , der weiß sofort das es bei den haaren herbeigezogen ist, punkt
weiß ja nicht wo du deine ganzen infos her hast , aber mit solchen aussagen wäre ich vorsichtiger
schau mal rein
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Beitrag von der KK »

Der Vorfall wurde von einigen Leuten an der Strecke beobachtet. In seinem Statement:

http://www.der-rennleiter.de/statement.pdf

geht der Friese jedoch nicht darauf ein.

Nachtrag/Korrektur:

Es gab nicht nur ein Ersatzkart, sondern zwei.
Laut Statement war nur ein Kart mit einer anderen Übersetzung ausgerüstet.
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Beitrag von Maranello Mecki »

@kk
du solltest einfach mal genauer lesen , oder darüber nachdenken was du liest, er schreibt das eines der ersatzkarts mit ner anderen übersetzung..... ?(
so kommen gerüchte zustande, durch leute die nicht nachdenken oder lesen können, schade einfach :(
schau mal rein
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